Der Hals der Giraffe von Judith Schalansky. „Nichts ging über Frontalunterricht. Ihr Unterricht war gut. Ihre Schüler waren gut. […] Und ihre Ergebnisse waren gut. Der Zensurenspiegel lag über dem Landesdurchschnitt. Immer schon.“
Judith Schalansky, 1980 in Greifswald geboren
Anpassung ist alles, weiß Inge Lohmark. Schließlich unterrichtet sie seit mehr als dreißig Jahren Biologie. Daß ihre Schule in vier Jahren geschlossen werden soll, ist nicht zu ändern – in der schrumpfenden Kreisstadt im vorpommerschen Hinterland fehlt es an Kindern. Lohmarks Mann, der zu DDR-Zeiten Kühe besamt hat, züchtet nun Strauße, ihre Tochter Claudia ist vor Jahren in die USA gegangen und hat nicht vor, Kinder in die Welt zu setzen. Alle verweigern sich dem Lauf der Natur, den Inge Lohmark tagtäglich im Unterricht beschwört. Als sie Gefühle für eine Schülerin der 9. Klasse entwickelt, die über die übliche Haßliebe für die Jugend hinausgehen, gerät ihr biologistisches Weltbild ins Wanken. Mit immer absonderlicheren Einfällen versucht sie zu retten, was nicht mehr zu retten ist.
Der Schüler der natürliche Feind
„Inge Lohmark ließ sich nicht mehr auslaugen. Sie war dafür bekannt, dass sie die Zügel anziehen und die Leine kurz halten konnte, ganz ohne Tobsuchtsanfall und Schlüsselbundwerferei. Und sie war stolz darauf. Nachlassen konnte man immer noch. Hier und da ein Zuckerbrötchen aus heiterem Himmel.
Wichtig war, den Schülern die Richtung vorzugeben, ihnen Scheuklappen anzulegen, um ihre Konzentrationsfähigkeit zu fördern. Und wenn wirklich mal Unruhe herrschte, brauchte man nur mit den Fingernägeln über die Tafel zu kratzen oder vom Hundebandwurm zu erzählen. Für die Schüler war es ohnehin das Beste, sie in jedem Moment spüren zu lassen, dass sie ihr ausgeliefert waren. Anstatt ihnen vorzugaukeln, sie hätten irgendetwas zu sagen. Bei ihr gab es kein Mitspracherecht und keine Wahlmöglichkeit. Niemand hatte eine Wahl. Es gab die Zuchtwahl und sonst nichts.
Das Jahr begann jetzt. Auch wenn es schon längst angefangen hatte. Es begann für sie heute, am ersten September, der dieses Jahr auf einen Montag fiel. Und Inge Lohmark fasste ihre guten Vorsätze jetzt, im verwelkten Sommer, und nicht in der grellen Silvesternacht. Sie war immer froh, dass ihr Schulplaner sie sicher über den kalendarischen Jahreswechsel brachte. Ein einfaches Umblättern, ohne Countdown und Sektglasgeklirre.“
Das Leben ist ein Kampf, nur die Starken siegen. Eine Lehrerin die Rassistin ist und AIDS für eine großartige Strategie der Natur hält. Inge Lohmark muss man einfach kennengelernt haben.
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