Ist das ein Mensch von Primo Levi. »Denket ob dies eine Frau sei, die keine Haare mehr hat und keinen Namen«

Primo Levi (1919–87), italienischer Schriftsteller und Chemiker

Eines der bedeutendsten Zeugnisse des Holocaust ist Primo Levis „Ist das ein Mensch?“, in dem er von seinem Jahr in Auschwitz erzählt. Gerade weil Levi in seiner Autobiographie die Welt des Vernichtungslagers mit dem kühlen Blick des Naturwissenschaftlers sieht, tritt der alltägliche Horror umso deutlicher hervor. Zusammen mit der Fortsetzung „Die Atempause“, dem Bericht über Levis abenteuerliche Rückkehr nach Italien, liegt das Werk nun nach fünfzig Jahren als Neuausgabe mit einem ausführlichen Kommentar zu Entstehungsgeschichte und Rezeption vor.

Im Titel seines bereits 1947 erschienenen autobiografischen Berichts über die Zeit seiner Haft in Auschwitz stellte Primo Levi die Frage „Ist das ein Mensch?“ – gewiss ist dies zugleich als Anklage zu verstehen. Dieses frühe Buch Levis zielt vor allem auf die Unmenschlichkeit der Bedingungen im Konzentrationslager und die Dehumanisierung der Häftlinge. „[Es] überlege ein jeder, was für einen Wert, was für eine Bedeutung selbst die geringsten unserer täglichen Gewohnheiten in sich bergen, unsere hundert kleinen Dinge, die auch der armseligste Bettler sein Eigen nennt […]. Diese Dinge sind Teile unserer selbst, sind fast wie Glieder unseres Körpers […] Nun denke man sich einen Menschen, dem man, zusammen mit seinen Lieben, auch sein Heim, seine Gewohnheiten, seine Kleidung und schließlich alles, buchstäblich alles nimmt, was er besitzt: Er wird leer sein, beschränkt auf Leid und Notdurft und verlustig seiner Würde und seines Urteilsvermögens, denn wer alles verloren hat, verliert auch leicht sich selbst […]“, schreibt Levi. Er erlebte das Lager als einen Ort, an dem das Mensch-Sein oft bereits endete noch bevor das Leben biologisch erloschen war. Seine Frage „Ist das ein Mensch?“ beantwortet er am Ende des Buches folgendermaßen: „Mensch ist, wer tötet, Mensch ist, wer Unrecht zufügt oder leidet; kein Mensch ist, wer jede Zurückhaltung verloren hat und sein Bett mit einem Leichnam teilt.“

Geschrieben von: Maja Suderland